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Postkarte aus den 70er Jahren mit der Sicht auf die Siegburger Straße, Am Hang und Pfarrer-Wichert-Straße sowie den Lebensmittelmarkt Lutter (Weingärtner, Gierlach) und die Kapelle

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Leben in Uthweiler um die Jahrhundertwende

von: Werner Dahm

aus: Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bürgervereins Uthweiler e.V., 1996

Inhalt:    Bauern   Landleben    Kirche    Schule    Das Bähnchen    Steinbrüche

                Weitere Arbeitsmöglichkeiten


Wie sah es in Uthweiler zu Beginn unserer Zeitrechnung aus? Antwort: Urwald, allerdings rheinischer mit Eichen und Hainbuchen. Und vor 1000 Jahren? Tiefstes Mittelalter! In der ersten fränkischen Rodeperiode wurde der Eichen-Hainbuchenwald von Rodegemeinschaften siedlungsmäßig erschlossen. Oberpleis und Stieldorf waren da Zentren der fränkischen Landnahme im Pleiser Hügelland. Dort und auf den Einzelhöfen drumherum durften die damaligen Hofpächter und ihr zahlreiches Gesinde fleißig Steuern und Abgaben für den Landesherrn erwirtschaften. Um das Jahr 900 wird ein Hof in „Utwilere“ genannt (Robert Flink: Die Geschichte yon Oberpleis. Siegburg 1955, 8. 21 ff.)
Lang, lang ist`s her.

Und wie sah es vor nur 100 Jahren aus? Schauen wir uns mal etwas ausführlicher im Uthweiler der Jahrhundertwende um, also 1900, vielleicht auch l890 oder 1910. Wie lebte man in Uthweiler in der „Kaiserzeit“?

Bimm, bimm, bimm, die Eisenbahn... Damit anzufangen wäre falsch. Zuerst die Landwirtschaft, denn die damals gut hundert Einwohner des Dorfes lebten hauptsächlich von Ackerbau und Viehzucht. Dafür waren die Bedingungen sehr gut, denn der Pleisbach und einige Quellen am Talhang lieferten Wasser und der Lößboden war fruchtbar. -Wer heute in Uthweiler keinen Nutzgarten bestellt, ist selber schuld.-

 

Bauern

Um die Jahrhundertwende gab es in Uthweiler etwa ein halbes Dutzend „decke Buure“. Sagen wir mal, dass waren die Bauern, die ein Pferd zum Ackern hatten:

Dahm, Lichtenberg I („Drücks“, heute Schmitz), Lichtenberg II (,,Krings“, heute Bergmann), Meys (heute Kurz). Pütz (heute Wicharz), Rörig (Mühle) und Wierig (nur noch Wohnhaus neben der Kapelle).

Von den Bauernhöfen wird heute nur noch der Hof meiner nicht verwandten, rein zufälligen Namensvettern Dahm betrieben. Wie wirtschaftete nun damals beispielsweise Urgroßvater Michael Dahm (geb. 1840, gest. 1910)? Erfreulicherweise hat er in seinen "Notizen der Ackerwirtschaft“ (Handgeschriebene Kladde im Besitz der Familie Michael Dahm, Eintragungen von 1864 bis 1985) gewissenhaft Buch geführt und für das Jahr 1886 notiert:

5 ha Ackerland
1 ha Wesen
1 ha Holz
insgesamt 7 ha Land (=28 Morgen)

In seinem Stall standen 1 Pferd, 4 Kühe 2 Rinder

Außerdem liefen 12 Hühner rum. Das war’s. Später kamen noch zwei Schweine dazu.

Für die Feldarbeit und die  Arbeit im Stall zählt er an totem Inventar auf:
Kasch und Haken, Dreschmaschine, 3 kleine Waschbütten, 1 große Waschbütte, eiserner Pflug, Rübenmühle, Erntewagen,  4 hölzerne Eimer, 2 Holzbeile, Schlagkarre,   1 große Viehbütte, 1 Butterfaß, 2 Eggen2 Blecheimer, Schippkarre, Walze, 1 kupferner Eimer, Bindekette, Extregator,   3 Mistgabeln,  2 Leitern, Pferdegeschirr         2 Erntegabeln2 Getreidemaße, Wannmühle, Hobelbank mit Werkzeug,  5 Fruchtsäcke, Göpelmaschine, Schleifstein,  3 Siebe

Seit 1893 betrieb Michael Dahm ein ,,Lager in allen Sorten" mit allem, was die Leute in Uthweiler und den umliegenden Dörfern für Haus, Hof und Feld brauchten.

Hatte ein Bauer auf- seinem Land Bodenschätze in Form von Ton; Basalt oder Quarzit, wurden als abgebaut. Michael Dahm hatte das Glück und konnte 1895 und in den folgenden Jahren 4 bis 8 Männer beschäftigen, um auf seiner Weide und auf der anderer Seite des Pleisbaches gegenüber der Mühle Ton zu stechen. Diese Arbeit machte man aber nur im Sommer von Mai bis August. Der Ton wurde dann zum TeiI am Bahnhof auf die Pleistalbahn verladen, um in Ziegeleien zu Ziegelsteinen gebrannt zu werden.

Die heute noch zahlreich vorhandenen Neubauten aus der Zeit um 1900 wurden aus rotem oder gelbem Ziegelstein gebaut. Manchmal wurden zur Gestaltung einer dekorativen Fassade sowohl gelbe als auch rote Ziegelsteine verwendet. Bei Ställen wurde wenigstens das Untergeschoß aus Ziegelsteinen gemauert, weil Ziegelsteine dem anfallenden Mist besser standhielten als die Balken des Fachwerks. Das Obergeschoß des Stalls als Lager für Heu und Stroh setzte man dagegen oft noch in traditioneller Fachwerkbauweise auf.

Bei der vielen Arbeit reichte die Arbeitskraft der manchmal zahlreichen Familienmitglieder oft nicht aus. Man brauchte einen Knecht, oft auch eine Magd, die neben einem geringen Lohn Kost und Logis im Haus bekamen. Traditionell wurde nach der Ernte am Martinstag (11.11.) der Jahreslohn ausgezahlt, der dann meistens nur noch ein Restlohn war, weil der Knecht sich gelegentlich schon Vorschüsse für Tabak, eine neue Hose und Kirmesgeld für Pützchens Markt geholt hatte.

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Landleben

Und wie lebte man sonst so im Dorf? Das Wasser bekam man anfangs aus einem Pütz. Das konnte ein Becken mit offenem Zulauf von einer Quelle am Talhang sein oder ein gefaßter Brunnen mit aufgesetzter Handpumpe. Die standen am liebsten vor dem Haus neben der Haustür. Um 1900 wurden in Uthweiler an mehreren Stellen gefasst. das heißt Bassins gebaut, und das Quellwasser in Rohren zu den Häusern in die sogenannte Steinküche geleitet. Auf der rechten Pleisbachseite gab es Bassins am Buchholzer Berg, in Blankenbach und Freckwinkel. Auf der gegenüberliegenden Seite fasste der uns bereits bekannte Michael Dahm eine Quelle in der Weide am Hang nach Jüngsfeld. Er baute einen etwa 3 Kubikmeter großen Behälter aus Ziegelsteinen und führte das Wasser in einem 2 Zoll starken Eisenrohr unter dem Pleisbach durch zum Hof. Da die Lage des Bassins in der Höhe der Giebelspitze des Hauses entsprach, floß das Wasser mit natürlichem Druck. An diese Leitung wurden auch noch fünf Nachbarhäuser angeschlossen, deren Bewohner dafür halfen, den Graben für die Wasserleitung auszuheben.

Die heute so aktuelle und kostenintensive Abwasserproblematik reduzierte sich um 1900 auf den berühmt-berüchtigten Plumsklo mit Direktanschluß an den ,,Trötekeller“.

- Ob das später allgemein übliche WC = Wasserklosett zum Segen für die Menschheit wurde, darf an dieser Stelle bezweifelt werden. -

1900 soll elektrischer Strom ins Dorf gekommen sein, der in den Häusern aber nur zur Beleuchtung genutzt wurde. In jedes Zimmer kam eine Lampe. Die bis dahin benutzten Petroleumlampen blieben oft dennoch in Gebrauch. Den teuren Strom benutze man sparsam, und in den Stall ging man noch lange mit den bewährten Petroleumlampen. (Die umfangreiche mündliche Überlieferung für diesen Beitrag beruht auf Aussagen und Hinweisen von Frau Anna Reuter, geb. 1901 und Frau Paula Walter, geborene Pütz, geb. 1906, sowie von Herrn Michael Dahm und Herrn Paul Reuter.)

Brot wurde im holzgefeuerten Steinofen gebacken, wobei die Nachbarn das Backes des nächstgelegenen Bauern mitbenutzen. Das Brot mußte dann drei bis vier Wochen reichen. Nach dem Brotbacken wurde die Restwärme des Ofens gerne noch zum Obsttrocknen genutzt. Als Wintervorrat wurden große Mengen Quetschen, Apfel- und Birnenringe getrocknet.

Das Mehl zum Brotbacken kam aus der Uthweiler Mühle. Dort wurde das Getreide von Heinrich Rörig und seinen Gehilfen geschrotet und gemahlen. Das Müllerhaus ist ein Fachwerkgebäude aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. ( Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland 23.5. Stadt Königswinter. Bearb. v. Angelika Schyma. Köln 1992; S. 262 f. )  Es bildete um 1900 mit der gegenüberliegenden Gaststätte Bäsgen und einigen umliegenden Gebäuden, darunter eine Schmiede, einen eigenen Ortsteil vor dem Dorf. Da in Mühle und Schmiede reger Publikumsverkehr herrschte, war der Standort für eine Gaststätte gut gewählt. Hinzu kam, daß die Gaststätte die nächstgelegene war für die zahlreichen Arbeiter der Jüngsfelder Baumschulen. Jüngsfeld liegt zwar direkt oberhalb der Mühle, die Straße dorthin macht aber einen großen Umweg über die Pleisbachbrücke hinter Dahms Bauerhof. Um sich diesen Umweg beim Gang in die Gaststätte zu ersparen, hatte man an der Mühle eine Fußgängerbrücke über den Pleisbach gebaut.

An heißen Sommertagen badete die Uthweiler Jugend ,,An der Milch“!? Oberhalb der Mühle befindet sich im Pleisbach eine Staustufe mit seitlichem Wehr für die Wasserversorgung des Mühlenteichs. Das tiefe Wasser vor der Staustufe eignete sich gut zum Baden. Wenn der Müller nicht gerade seinen Teich vollaufen ließ, floß das Wasser über die Staustufe. Dabei floß es auf der Rückseite über die Köpfe der waagerecht liegenden Basaltsäulen, aus denen die Staustufe errichtet war. Das Wasser schäumte kräftig und die Stelle bekam den Namen, den man mit diesem Vorgang assoziierte. Das Badevergnügen an dieser Stelle hatten der Zeit entsprechend aber nur die Jungen.

Auf den Bauernhöfen gab es neben dem Backes häufig noch ein ,,Kruck-Keuches“ für Birnenkraut. Die Birnen wurden weichgekocht, gepreßt und der Saft zum Eindicken stundenlang gekocht. Das dauerte oft die ganze Nacht, und es mußte ständig umgerührt werden. Den letzten Pfiff bekam das ,,Birrekruck“ durch Stücke geschälter Birnen, die in den fertigen Saft gebrockt wurden. Das Birnenkraut war beliebter Brotaufstrich. Marmelade kochte man selten, denn Zucker war eine Kolonialware und teuer.

Zuhause in der Steinküche wurde selbst Butter gemacht. Wenn man so viel Milch hatte, daß man mehr Butter machen konnte als man selbst brauchte, trug man sie nach Siegburg zum Markt, um sie dort zu verkaufen. Aus Milch machte man auch Quark und ,,fuule Käs“. Soviel dazu. Dabei könnte man noch lange über die Arbeit in der Steinküche erzählen, denn hier wurden die meisten Produkte aus dem Garten, vom Feld und aus der Tierhaltung verarbeitet.

Statt neue Kleidung und Schuhe zu kaufen, womöglich noch nach der Mode, wurden die Sachen geflickt und gewendet. Dazu kamen Schneiderin oder Schuster jeweils für ein paar Tage ins Haus. Da diese viel herumkamen und vorher in anderen Häusern gearbeitet hatten, wußten sie sicher nicht wenig zu erzählen. Und nach der Arbeit kam das Vergnügen? Abends wurde oft vom Familienvorstand aus der Zeitung vorgelesen, während von den anderen Familienmitgliedern beim Zuhören restliche Hausarbeiten erledigt wurden. Der General-Anzeiger wurde seit 1889 für nur 30 Pfennige monatlich ,,bis zur entlegensten Hütte“ verteilt. Er erfreute sich großer Beliebtheit, denn er war parteilos, im Gegensatz zu den Gesinnungs- und konfessionellen Zeitungen. Die Texte richteten ihr Augenmerk hauptsächlich auf lokale Angelegenheiten der rheinischen Heimat und sollten in erster Linie dazu dienen, die Werbekraft der Anzeige zu erhöhen. Zur Unterhaltung enthielt die Zeitung zusätzlich Romane, Erzählungen und humoristische KIeinigkeiten. (Th. A. Henseler: Das Verlagshaus Rommerskirchen-Neusser. Beiträge zur Geschichte des Bonner Buch- und Zeitungsverlages. 1952. S. 39 ff.) Dabei konnte der Hausvater schon mal eine Pfeife rauchen, werktags die kurze Pfeife und sonntags die lange Sonntagspfeife. Sollte jemandem die damalige Rollenverteilung aufstoßen, sei daran erinnert, daß die Suffragetten seither viel geleistet haben.

Wenn einer schlimm krank wurde, holte man den Doktor Frings aus Oberpleis, der dann, ebenso der Apotheker Heinen für seine Medizin, bar bezahlt werden mußte. Nun gab es seit 1883 die gesetzliche Krankenversicherung. Aber! Sie betraf nicht die ganze Bevölkerung, sondern zunächst nur die industriellen Arbeiter. Sie war aus politischen Gründen vom Reichstag beschlossen worden zur Heilung sozialer Schäden. Man hatte sich überlegt, sozialistische Ausschreitungen nicht nur durch Repression zu bekämpfen, sondern auch die Ursachen des Sozialismus, das soziale Elend der Arbeiter in den Industriegebieten, zu beseitigen. Von der Krankenversicherung ausgenommen waren in Land- und Forstwirtschaft beschäftigte Arbeiter sowie vorübergehend Beschäftigte und Personen, welche im Krankheitsfalle Anspruch auf Verpflegung in der Familie des Arbeitgebers hatten, z. B. Hauspersonal oder Dienstboten. Insgesamt waren 1885 nur 9 % der Einwohner des Deutschen Reiches gesetzlich krankenversichert, heute sind es 92 %. (Hans Töns: Hundert Jahre gesetzliche Krankenversicherung im Blick der AOK. 1983, S. 27 ff.) Auf dem Lande wie in Uthweiler ging rnan von glücklichen und zufriedenen Untertanen aus, die keinen Grund für sozialistische Umtriebe hatten und sich im Notfall selbst zu helfen wußten.

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Kirche

In Uthweiler gab es scheinbar zwei Sorten von Menschen: „Pleeser Uthwieler“ und „Steeldörper Uthwieler“. Die Grenze war seit dem Jahr 948 der ,,Blanconbiechi“, der Blankenbach. (Erwin Düster: Die Gründung des Kirchspiels Oberpleis durch Erzbischof Wichfried im Jahre 948)  Dabei waren die Bewohner beider Ortsteile fromme Katholiken. Die einen mußten nach Oberpleis zur Sonntagsmesse, die anderen nach Stieldorf. Da gab es kein Vertun, wenn man auf die beiden Pfarrer hörte. Tatsächlich soll mancher Uthweiler das nicht nur verwechselt haben sondern völlig abtrünnig sogar in die 1906 neu erbaute Kirche in Rott gegangen sein.

In den beiden Kapellen in Uthweiler durften nur Andachten stattfinden, z. B. bei Sterbefällen. Zudem durfte in der St-Michael-Kapelle zweimal im Jahr Gottesdienst gehalten werden, am ersten Mai und am Festtag des Kapellenpatrons. Die erste St- Michael-Kapelle wurde 1879 aus Ziegelsteinen erbaut und zeigte zur Straße hin eine typische Gründerzeitfassade. Diese Kapelle gehörte zur Pfarrei Oberpleis. (Festschrift zur Kircheneinweihung St. Michael zu Uthweiler. 1968)

Außerdem hatte man etwas später, im Jahre 1885 im ,,Steeldörper Uthwieler“ an der alten Dorfstraße, der heutigen Hauptmannstraße, die ,,Schreckenbergkapelle“ gebaut  die logischerweise zur Pfarrei Stieldorf gehörte. Die „Schreckenbergkapelle“ bestand aus Fachwerk. Als sie 1976 dem Grundstückseigentümer im Weg stand, konnte sie zerlegt und nach Wahlfeld versetzt werden. (Die umfangreiche mündliche Überlieferung für diesen Beitrag beruht auf Aussagen und Hinweisen von Frau Anna Reuter, geb. 1901 und Frau Paula Walter, geborene Pütz, geb. 1906, sowie von Herrn Michael Dahm und Herrn Paul Reuter.)

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Schule

Die ,,Pleeser Uthwieler mußten nach Oberpleis zur Schule, die ,,Steeldorfer Uthwieler‘ nach Stieldorf. Ist klar, oder? Franz Jonas aus Freckwinkel soll erreicht haben, daß seine Kinder nach Oberpleis in die Schule gehen durften. So fing die Unterwanderung der alten Ordnung an.

Und wie kommt das Stieldorfer Schulhaus von 1730 neben die Kapelle in Uthweiler, zur kompletten Verwirrung auch noch im ,,Pleeser Uthwieler“? Fachwerkhäuser gehörten früher zur beweglichen Habe; waren mobil und nicht wie heutzutage immobil. Denn es kam eigentlich nur auf das Balkenwerk an. Das war wertvoll. Da konnte man die Holznägel herausziehen, alles schön ordentlich zerlegen und andernorts wieder zusammensetzen. Die Zimmermannszeichen an jeder Verbindungsstelle halfen, dass es kein Durcheinander gab. Den Baustoff für die Füllung der Gefache, dünne Eichenstaken, Haselnußruten, Stroh und Lehm, gab es überall. Eine Installation wie heute mit Wasserleitungen für warmes und kaltes Wasser, Abflüssen, Heizung, Strom und Telefon, Fernsehantenne gab es ja noch nicht. So hatte 1828 der Urururgroßvater Pütz das Stieldorfer Schulhaus auf Abbruch gekauft und in Uthweiler daraus sein Wohnhaus gebaut. (Notiz in der handschriftlichen Familienchronik der Fam. Pütz.)
Bis hierher betrachtet verlief das Leben in Uthweiler ähnlich wie in den zahlreichen Nachbardörfern im Pleiser Hügelland. Man mühte sich auf dem Feld und im Stall ab, versorgte sich weitgehend selbst und versuchte ein Zubrot zu verdienen. War die Zugehörigkeit zu zwei Gemeinden eher eine Kuriosität, so gab es eine Summe bemerkenswerter Umstände, die das Leben in Uthweiler vielfältiger machten als in den umliegenden Dörfern.

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Das Bähnchen

Wegen den Lage an der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgebauten preußischen Provinzialstraße durch das Pleistal zogen viele Menschen und Fuhrwerke durch das Dorf. Nach der Eröffnung der Bahnstrecke von Niederpleis bis Herresbach im Jahre 1893, später verlängert bis Rostingen, nahm der Verkehr noch mal erheblich zu.
Wird die Weltoffenheit des Rheinländers darauf zurückgeführt, daß er mit den durch das Rheintal ziehenden Menschen zurecht kommen und sich immer wieder mit Neuem arrangieren musste, so galt das um 1900 im Kleinen auch für die Uthweiler Bevölkerung.

Das Bähnchen diente nicht in erster Linie dem Personenverkehr, sondern haupt­sächlich dem Gütertransport: Basalt, Quarzit und Ton. Uthweiler hatte vier Gleisanschlüsse. - Von Niederpleis kommend führte ein Gleis zur Laderampe des großen Basaltbruchs an der Hardt. Das war damals der größte Steinbruch der Gegend. Der nächste Anschluß führte zum Düngemittel- und Kohlehandel auf dem Bauernhof Michael Dahm. Danach gab es noch einen Anschluß für die Tongruben und schließlich einen für den Basaltbruch Niederbuchholz. (Adolf Becker: Die Bröltalbahn/Rhein-Sieg-Eisenbahn. Troisdorf 1988, S. 41 und 110.) Aus den am Hang gelegenen Basaltbrüchen wurden die mit Steinen beladenen Kipploren über den sogenannten Bremsberg zur Verladestation ins Tal gelassen. Dabei zogen die vollen Loren über ein bebremstes Seil die leeren Loren wieder hoch. Energietechnisch perfekt!

An der Bahnhaltestelle Uthweiler-Jüngsfeld hatte die Bahn einen Güterschuppen. Gegenüber der Haltestelle entstand kurz vor der Jahrhundertwende das Gasthaus von Josef Reuter. Die beiden heute so mächtigen Linden vor dem Gebäude waren noch fast so dünn wie Besenstiele. Neben den üblichen Gästen kehrten hier auch gerne die Arbeiter des nahegelegenen Steinbruchs ein. Zudem waren die Gästezimmer bei Sommerfrischlern sehr beliebt, die aus Bonn, Köln und sogar aus Berlin kamen, um hier mit ihren Familien Urlaub zu machen.

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Steinbrüche

Die beiden Steinbrüche und die Tongruben gaben lange Zeit Arbeit, harte und gefährliche Arbeit. Im großen Basaltbruch an der Uthweiler Hardt ist 1894 Heinrich Jonas aus Freckwinkel tödlich verunglückt. Er hinterließ Frau und sieben Kinder. Auch wenn die Arbeit in den Steinbrüchen hart war, war sie sehr begehrt. Wenn eine kleine Hofstätte nicht genug Arbeit und Ertrag für die große Familie hergab, konnte das ein oder andere männliche Familienmitglied dort bares Geld verdienen. Neben Kleinschlag bzw. Schotter für den Straßenbau und als Bettungsmaterial der Eisenbahnschwellen, wurden auch ,,Möppchen“, kleine Pflastersteine, geschlagen.

Der große Basaltbruch an der Uthweiler Hardt wurde 1900 von Franz Meys, später von seinem Bruder Josef Meys, Landmaschinenfabrikant in Hennef, übernommen. Der Fortschritt bescherte dem Steinbruch Meys schließlich sogar ein mechanisches Brecherwerk, das elektrisch angetrieben wurde. Der aus Ziegelsteinen gemauerte turmartige Unterbau des Brechers steht heute noch im Wald. Dieses Brecherwerk verursachte bei den ,,Steinklöppern“ Arbeitslosigkeit. Da brauchte sicher mancher als Trost ein Quäntchen Schnaps zu 5 Pfennig das Gläschen in der Gaststätte Reuter. Aber ohne Mechanisierung konnten die Basaltwerke im harten Preiskampf mit der Konkurrenz nicht bestehen. Schließlich mußte der Steinbruch doch, trotz High Tech Anno 1909, kurz vor dem Ersten Weltkrieg stillgelegt werden. Die Steinvorkommen waren nicht mehr gut und ergiebig genug. Die Firma Meys verlagerte ihre Aktivitäten mitsamt dem Uthweiler Brecherwerk nach Nonnenberg und weitete den dortigen Betrieb aus. (hier der Link zum kompletten Artikel von Werner Dahm: Der ehemalige Steinbruch in Uthweiler — Ein Riesenloch in Handarbeit. In: Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 1992. Siegburg 1991, S. 98ff.)

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Weitere Arbeitsmöglichkeiten

Die Braunkohlengrube Satisfaktion am Kohlberg auf der linken Pleisbachseite zwischen Uthweiler und Freckwinkel war nur bis 1860 in Betrieb gewesen. Beim ersten Kapellenbau 1879 sollen Ziegelsteine der stillgelegten Grubenanlage wiederverwendet worden sein. Im Jahre 1919 versuchte man noch einmal, einen neuen Schacht abzuteufen. Die Arbeiten wurden jedoch nach einem halben Jahr auf Grund starker Wasserzuflüsse eingestellt.
Eine weitere Arbeitsmöglichkeit bot der 1877 gegründete Baumschulbetrieb Dahs-Reuter in Jüngsfeld die erste Baumschule in unserer Gegend. Hier konnten  bis zu 100 Leute Arbeit finden. (Hermann Jonas: Baumschulbetriebe und ihre Entwicklung. In: 100 Jahre Kapelle Uthweiler 1879-1979. Festschrift zur 100-Jahrfeier der Kirche St. Michael in Uthweiler, Pfingsten 1979. S. 57ff.)

Außerhalb Uthweilers gab es einzelne Arbeitsplätze in den Hennefer Landmaschinenfabriken Reuther, Steimel, Jacobi und Meys. Eine ständig steigende Zahl an Arbeitsplätzen gab es in den beiden Siegburger Munitionsfabriken, der Königlichen Geschoßfabrik und dem Feuerwerkslaboratorium. Die Zahl der dort Beschäftigten stieg in den Jahren 1882 bis 1917 von 700 auf 21500 Arbeiter und Arbeiterinnen (Die Wacht am Rhein. Industrialisierung in Siegburg. Wegweiser in die Stadtgeschichte. Siegburg 1994, S. 7.) Der Weg dorthin zur Arbeit und zurück wurde oft zu Fuß zurückgelegt. Die Fahrt mit dem Pleistalbähnchen war zu teuer, und das Fahrrad hatte vermutlich aus Kostengründen noch keine allgemeine Verbreitung gefunden. Die Arbeit in den Fabriken wurde im Vergleich zur Steinbrucharbeit als leichter empfunden. Dieser Vorteil hatte allerdings den Haken, daß die dort produzierten Geschosse schließlich ihrem eigentlichen Zweck zugeführt wurden. 1914 begann der Erste Weltkrieg.

Wer sein Zubrot nicht in den aufgezählten Betrieben verdienen wollte oder konnte, mußte sich etwas überlegen. Peter Pütz (1867—1943) hatte die Idee, ein Milchgeschäft aufzuziehen. Es wurden die zwei Pferde Schimmel und Max, ein Wagen und viele Kannen angeschafft. Morgens um fünf Uhr ging es los. Zunächst wurden die Kannen auf den umliegenden großen Bauernhöfen mit Milch gefüllt. Dann lenkte man das Fuhrwerk nach Siegburg. Dort angekommen wurde die Milch an feste Kundschaft ausgetragen. Zusätzlich lieferte man auch Butter und Eier. Es mußte ein zweiter Mann eingestellt werden, und auch Sohn Heinrich mußte helfen. Am späten Mittag fuhr man dann wieder nach Hause und konnte sich um Feld und Garten kümmern.

Ideen mußte man haben! Vielleicht bekam man damals auch leichter welche, denn Überfluß bis zum Verdruß gab es noch nicht.

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